Stromzähler gibt es überall, Enzyme lassen Medikamente wirken, und in jeder Straßenbahn, jedem Zug sorgt die Elektronik für eine gute Fahrt. Doch wer versorgt die Industrie mit Produkten, ohne die es nicht geht? Wir zeigen drei Beispiele solcher „hidden champions“, also verborgener Technologien, die aus Mecklenburg-Vorpommern in alle Welt geliefert werden – und wie die Produzenten auf die aktuelle Lage reagiert haben.
Text von Dörte Rahming
Train Electric in Löcknitz
Nur ein paar Kilometer von der polnischen Grenze entfernt entstehen Komponenten für die Elektrik in Zügen, Straßenbahnen und anderen Schienenfahrzeugen: Führerpulte, Schaltschränke oder Kabelbäume werden zusammengebaut und geprüft, direkt beim Kunden montiert und in Betrieb genommen. Unternehmer Bogdan Wernecki beschäftigt hier 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er selbst stammt aus Stettin und ist gelernter Schiffselektrotechniker. Er hat lange im Ruhrgebiet gelebt und kam 2004 mit seiner Familie nach Vorpommern. „Unsere größten Kunden sind die Firmen Stadler und Bombardier“, sagt er. „Aber uns sind alle Kunden wichtig, auch solche, die nur Komponenten wie Fahrgast-Informationssysteme oder Türen bauen.“ Pro Jahr werden in Löcknitz etwa 45 komplette Züge bestückt. „Aber noch häufiger sind Aufträge, die wir direkt beim Kunden ausführen.“ Einen weiteren Standort gibt es im nahe gelegenen Stettin. Dorthin verlegte Wernecki vorübergehend die komplette Produktion. Denn seine polnischen Mitarbeiter konnten aufgrund der Corona-Quarantäne-Regelungen nicht täglich über die Grenze reisen. „Wir haben aber keine Einbußen oder Produktionsausfälle, mussten nur ein paar Termine verlegen. Und ab dem 4. Quartal soll alles wieder normal laufen.“
EMH Metering in Gallin
Elektronische Stromzähler sollen bald in jedem Haushalt eingebaut sein. „In Industriebetrieben gibt es das schon seit 20 Jahren“, sagt Geschäftsführer Dr. Peter Heuell. „Für private Haushalte können Energielieferanten durch die Hightech-Zähler zum Beispiel flexiblere Tarife anbieten.“ Der Datenschutz der sogenannten Smart-Meter wird durch ein Zertifikat garantiert. In Gallin arbeiten etwa 250 Elektriker, Mechatroniker und andere Fachkräfte. „Wir haben eine außergewöhnlich große Fertigungstiefe – von der Leiterplattenbestückung bis zur eichrechtlichen Prüfung. So können wir sehr flexibel auf Kundenwünsche eingehen.“ Hier gibt es keine Standardprodukte, sondern mehr als 10.000 Zähler-Varianten. Die Kunden kommen aus mehr als 50 Ländern.
Enzymicals AG in Greifswald
Was hier passiert, ist kaum zu sehen, aber sehr wirksam: Das Unternehmen produziert Enzyme, die bei der Produktion von Chemikalien gebraucht werden – zugeschnitten auf jeden einzelnen Kunden aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie. „Sie nutzen unsere Enzyme zum Beispiel als Bausteine für Arzneimittel“, sagt Dr. Rainer Wardenga, Leiter Business Development. „Diese Bio-Katalysatoren können an bestimmten Stellen bestimmte Reaktionen hervorrufen.“ Inzwischen hat das Unternehmen 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unter anderem Biotechnologen, Chemiker, Verfahrensingenieure – und es werden mehr. „Durch die Ballung an Life-Science-Kompetenz hier in Greifswald haben wir Möglichkeiten in Forschung und Entwicklung, die man sonst nicht findet“, meint Dr. Henrike Brundiek, Leiterin der Forschungsabteilung. Von der aktuellen Wirtschaftslage wird das Unternehmen wenig beeinflusst. „Wir gehen davon aus, dass der verstärkte Trend zur Lokalisierung von Wertschöpfungsketten in der Pharmaindustrie sich langfristig sogar positiv auf unser Unternehmen auswirken wird“, so Wardenga.